100 Tage Krieg in der Ukraine

Heute, am 100. Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine, haben wir im Bundestag das Sondervermögen für die Bundeswehr beschlossen. Gestern hat Bundeskanzler Scholz die Lieferung weiterer Waffensysteme angekündigt. Ich möchte hier meiner ukrainischen Stipendiatin Yaroslava Tkachenko das Wort geben, die seit zwei Monaten die Debatte in Deutschland und im Bundestag verfolgt:

„Heute sind 100 Tage seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine vergangen. Seit Beginn dieses Krieges sind ca. 12 Mio. Menschen obdachlos geworden, 1,4 Mio. sind freiwillig oder mit Zwang nach Russland verschlagen worden,  6,8 Mio. haben die Ukraine verlassen. Davon sind inzwischen 2,2, Mio. zurückgekehrt.

Mindestens 4.100 Zivilisten fanden bei den Kampfhandlungen den Tod. Laut Vereinten Nationen sind ohne die Toten in Mariupol 261 Kinder gestorben. Bei diesen Daten handelt es sich nur um die registrierten Opfer. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen. Insgesamt sind, ohne die Toten von Mariupol zu zählen, ca. 22.000 Menschen bis jetzt gewaltsam gestorben. Der Wert der zerstörten Häuser, Straßen, Infrastruktur und auch landwirtschaftlichen Flächen in meiner Heimat geht in die Milliarden.

Weit schwerer wiegen aber der Schmerz und das Leid, welches dieser Angriffskrieg Russlands über die Menschen in der Ukraine gebracht hat. Beides ist nur schwer in Worte zu fassen. Dazu kommen Gräueltaten wie das Massaker in Bucha, Leichenhaufen in Mariupol,  Vergewaltigungen und Folterungen von vielen Menschen, Plünderungen etc. Die Ukraine kämpft für Freiheit, Frieden und Menschenwürde im Rahmen eines Selbstbestimmungsrechts aller Ukrainer. Der Preis ist schon jetzt erschreckend hoch. 

Alle Soldaten und Zivilisten, welche diese Werte verteidigen und dafür z.T. ihr Leben gegeben haben, verdienen höchsten Respekt. Sie haben ihr Leben eingesetzt, damit wir in einem unabhängigen, friedlichen und demokratischen Land leben können. Die Unabhängigkeit der Ukraine auf der Grundlage von Freiheit und Demokratie ist das Ziel all unserer Bemühungen. Derzeit ist die Rückgewinnung der territorialen Integrität dringlich, damit sich freiheitliche Lebensformen entfalten können.  

Nicht nur die Solidarität in der Ukraine ist beeindruckend, sondern auch die große Unterstützung, mit der viele Länder der Ukraine zur Seite stehen. Deutschland spielt dabei eine Schlüsselrolle. 

Seit Beginn des Krieges unterstützt Deutschland die Ukraine politisch, militärisch und ökonomisch. Die soziale Unterstützung von ukrainischen Flüchtlingen ist dazugekommen. Als Ukrainerin fällt es mir schwer, objektiv zu sein, wenn Familienmitglieder und Freunde an den militärischen Frontlinien kämpfen und sterben. Aber ich bin Deutschland sehr dankbar dafür, dass es die Ukraine so massiv unterstützt. 

Natürlich sollen auch die Probleme nicht verschwiegen werden. Viele Ukrainer sind irritiert und traurig, einige wütend, wenn die so notwendige Unterstützung unseres Landes mit schweren Waffen nicht schnell genug möglich wird. Jeder Tag Verzögerung kostet Tote. Wir benötigen schnell schwere Waffen, um die augenblickliche Überlegenheit der Russen ausgleichen zu können.

Gestern und heute war der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefanchuk zu Gesprächen im Bundestag. Er betonte, dass der ukrainische Kandidatenstatus zur Aufnahme in die EU nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Deutschland von großem Vorteil ist. Die EU und Ukraine fußten auf gemeinsamen demokratischen Werten, und dafür bedürfe es des gemeinsamen Einsatzes. Er bedankte sich ausdrücklich für die Hilfe, welche die Ukraine erfahren habe und dankte für die Bereitschaft des deutschen Parlaments, in allen Bereichen zu helfen.

Lassen Sie mich persönlich die Hoffnung ausdrücken, dass wir in hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft den Aggressor vertreiben können, dass unser Land im Verbund mit vielen westlichen Nationen den Sieg über Diktatur und Autokratie davon trägt, damit morgen und in Zukunft alle Ukrainer sowie die Gemeinschaft der europäischen Völker in Frieden und Freiheit leben können. 

Mein Mitgefühl gilt allen, die ihre Liebsten in diesem Krieg verloren haben, Söhne, Ehemänner, Frauen, Verwandte und einfach nur liebe Landsleute, welche den höchsten Preis für die Verteidigung unseres gemeinsamen europäischen Vaterlandes  gezahlt haben.

Slava Ukraini!!! Ruhm der Ukraine“