Liebe Leserinnen und Leser,
hinter mir liegt eine ganz besondere Woche, denn zusammen mit Kolleg*innen des Umweltausschusses war ich von Montag bis Donnerstag auf meiner ersten Delegationsreise in Schweden. Nachdem unser ursprünglicher Flug kurzfristig gestrichen wurde, ging es am Montag zuerst nach München und von dort aus nach Stockholm. Durch die Verzögerung entfielen leider einige spannende Programmpunkte, doch am Nachmittag begrüßte uns dann die Botschafterin, Christina Beinhoff, in der deutschen Botschaft in Stockholm. Sie erzählte uns, dass das vergangene Jahr politisch recht turbulent war und Schweden derzeit von einer Ein-Parteien-Minderheitsregierung der Sozialdemokraten regiert wird. Nachdem das schwedische Parlament letzten Juni den damaligen Regierungschef Löfven sein Misstrauen ausgesprochen hat, regiert mit der Sozialdemokratin Magdalena Andersson die erste weibliche Ministerpräsidentin das Land. Im September finden die Parlamentswahlen stattfinden und folglich ist Schweden derzeit im Wahlkampfmodus. Natürlich steht auch in Schweden der Krieg in der Ukraine und die damit verbunden Folgen auf die Sicherheitsarchitektur Europas im Fokus der Debatten.
Am Dienstag besuchten wir das Biokraftwerk Värtaverket in Stockholm. Es ist eines der größten Biomasse-Blockheizkraftwerke Europas, bei dem zur Energiegewinnung CO2-neutraleAbfälle aus der regionalen Holzwirtschaft genutzt werden. Damit können jährlich 1.700 Gigawattstunden Wärme und 750 Gigawattstunden Strom produziert werden – genug für 190.000 mittelgroße Wohnungen und 150.000 Elektrofahrzeuge. Die Architektur des Kraftwerks, das 2020 seinen Betrieb aufgenommen hat, ist beeindruckend. Mitten in einem gemischt genutzten Viertel steht nordöstlich der Innenstadt ein moderndes zeitgenössisches Gebäude, das kaum an ein Kraftwerk erinnert.
Beim nächsten Termin ging es um die Folgen einer nicht mehr zeitgemäßen Methode der Energiegewinnung. Wir sprachen mit Vertreter*innen vom Swedish Nuclear Fuel and Waste Management CO und der schwedischen Behörde für Strahlensicherheit über die Endlagersuche für radioaktive Abfälle und die damit verbundenen Genehmigungsverfahren. Schweden nutzt seit Mitte der 60er-Jahre durch Kernkraft erzeugten Strom. Der entstandene radioaktive Abfall muss natürlich auch hier sicher endgelagert werden. Bereits in den 90er-Jahren wurde mit der Suche nach geeigneten Standorten für ein Endlager begonnen. Im Juni 2009 wurde die Forsmark in der Gemeinde Östhammar als Standort ausgewählt. Denn verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass das Gestein für die lange Lagerung am besten geeignet ist. Die Standortsuche basierte komplett auf Freiwilligkeit, sodass auch die Gemeinde zustimmen musste. Nachdem 2011 die Genehmigung zum Bau des Endlagers in Forsmark beantragt wurde, erteilte die Schwedische Regierung im Januar 2022 die Errichtungsgenehmigung. Bevor allerdings mit dem Bau des Endlagers begonnen werden kann, muss noch ein Umweltgericht der Genehmigung zustimmen.
Am nächsten Tag sind wir dann in die Gemeinde Östhammar gefahren, um uns den Ort für das geplante Endlager anzuschauen und mit der Gemeinde über ihre Entscheidung zu sprechen. Wenn das Umweltgericht der Genehmigung zustimmt, werden die abgebrannten Kernbrennstoffe in Kupferkanistern, die von Bentonit-Ton umgeben sind, etwa 500 Meter unter der Erde im Grundgestein platziert. Hier sollen sie über einen Zeitraum von mindestens 100.000 Jahren lagern.
Zum Mittagessen haben wir uns in einem Restaurant verabredet, das Wert auf die Vermeidung von Lebensmittelabfällen legt. Es gab verschiedene Komponenten, die man frei kombinieren konnte. Beim Essen dabei war auch Frau Hanna Dittrich Södermann. Sie ist bei der zentralen Umweltbehörde Schwedens für den Wolf zuständig und hat uns einen tiefen Einblick in dieses schwierige Thema gegeben. Schweden verfolgt in Bezug auf das Wolfsmanagement einen anderen Ansatz als Deutschland, denn während der Wolf in Deutschland nach dem Bundesnaturschutzgesetz eine streng geschützte Tierart ist, ist die Jagd auf Wölfe in Schweden im Rahmen einer Schutz- bzw. Lizenzjagd eher möglich. Inwieweit dieses Verfahren gegen Europarecht verstößt, wird derzeit von der europäischen Kommission überprüft.
Am Donnerstagnachmittag ging es dann zurück zum Flughafen von Stockholm und damit zurück nach Berlin. Ich habe sehr viele interessante Gespräche geführt und hatte sogar ein wenig Zeit, um mir Stockholm ein anzuschauen. Dabei ist mir aufgefallen, wie viele gute Radwege es gibt und wie kreativ das Land auf erneuerbare Energien setzt: Solarzellen auf Mülleimern. Da haben wir in Deutschland noch einiges zu tun.
Während ich am Dienstag in Schweden über die Genehmigungsverfahren und die Endlagersuche für radioaktive Abfälle sprach, haben sich die Ministerpräsident*innen der ostdeutschen Länder gemeinsam mit unserem Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Insel Riems getroffen, um über die Sicherung und den Ausbau der Energieversorgung im Osten, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum und den Fachkräftemangel zu sprechen.
Als Ostdeutsche weiß ich um die enormen Herausforderungen, mit denen nicht nur die Politik, sondern vor allem die Menschen Ostdeutschlands seit der Wende konfrontiert waren: dem Einbruch der Wirtschaft, einer hohen Arbeitslosigkeit und einer starken Abwanderung. Seit der Einheit sind die ostdeutschen Länder einen beispielhaften Modernisierungs- und Konsolidierungsprozess durchlaufen. Ohne die Menschen vor Ort wäre dies nicht möglich gewesen. Umso wichtiger ist es, dass wir bei der uns bevorstehenden Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft genau diese Menschen nicht aus dem Blick verlieren und erneute wirtschaftliche und soziale Strukturbrüche verhindern. Ostdeutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten sein enormes Potential uns seine Stärken bewiesen. Einer dieser Stärken sind die bedeutenden Forschungscluster in allen ostdeutschen Ländern: von erfolgreichen Hochtechnologiestandorten, über Solarforschung und Photonik bis hin zur Pflanzen- und Biodiversitäts- und Gesundheitsforschung. Diese Stärke gilt es zu nutzen!
Neben der Gründung einer ostdeutschen Interessenvertretung zur Wasserstoffforschung haben die Länder auch einen Fachkräftegipfel Ostdeutschland im Herbst vereinbart. Ihre Ergebnisse haben sie in der sogenannten Riemser-Erklärung festgehalten: Link.
Ich wünsche allen ein erholsames und schönes Wochenende!