Wochenrückblick aus Berlin – KW36

Liebe Leserinnen und Leser,

traditionell beginnt der Bundestag nach der parlamentarischen Sommerpause mit der 1. Lesung des Gesetzentwurfes zum Bundeshaushalt 2023 und den Finanzplan bis 2026. Der Entwurf sieht Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 445,2 Milliarden Euro vor – gut 10 Prozent weniger als im Vorjahr, aber rund 42 Milliarden mehr gegenüber der alten Finanzplanung. Insbesondere die Folgen des russischen Angriffskriegs und die damit einhergehenden Unsicherheiten im Hinblick auf die Energieversorgung und die steigenden Preise stellen uns vor große Herausforderungen. Unter anderem sind 5,4 Milliarden Euro zur Sicherung der Energieversorgung veranschlagt. Weitere 5 Milliarden Euro dienen als globale Krisenvorsorge, woraus pandemiebezogene Mehrbelastungen oder Maßnahmen, die im Zusammenhang mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine erforderlich sind, finanziert werden können. Gleichzeitig investieren wir bis 2026 rund 265,6 Milliarden Euro, um die Transformation der deutschen Volkswirtschaft in eine nachhaltige, klimaneutrale und digitale Wirtschaft voranzubringen.

Auf unserer Klausurtagung in Dresden vergangene Woche haben wir bereits intensiv beraten, wie wir sicherstellen, dass Bürger und Unternehmen in dieser Situation nicht allein gelassen werden. Am Sonntag haben wir uns mit unseren Koalitionspartnern auf das dritte Entlastungspaket mit einem Volumen von 65 Milliarden Euro geeinigt. Besonders wichtig war es uns, dass wir dieses Mal auch die Rentner und Rentnerinnen sowie Studierenden in den Blick nehmen. Sie werden direkte Sonderzahlungen erhalten. Ebenso konnten wir unsere Forderung einer Strompreisbremse durchsetzen. Das heißt, wir werden die Kosten für den Energiebedarf einfrieren. Finanzieren werden wir das auch durch die Abschöpfung von Zufallsgewinnen bei Unternehmen, die durch diesen Krieg und diese Krise profitieren.

Bevor am Dienstag im Plenum über den Haushalt 2023 diskutiert wurde, hat der israelische Staatspräsident Isaac Herzog am Morgen eine Rede gehalten. Es war die erste Rede des amtierenden israelischen Staatspräsidenten vor dem Bundestag. Im Zentrum seines Besuchs stand das Gedenken zum 50. Jahrestag des Münchner Olympia-Attentat im Sommer 1972. In seiner Rede sprach Isaac Herzog über die Bedeutung des Gedenkens nicht nur für Deutschland, sondern auch für Israel und betonte, dass wir nur gemeinsam die Bedeutung des Gedenkens aufrechterhalten können.

Im Anschluss an die Rede fuhr ich zur Freien Universität Berlin, wo ich auf Einladung von Prof. Dr. Jörg Aschenbach, Prodekan für Lehre an der FU, am Initiativtag zur „Modellgestützte Lehre am Fachbereich Veterinärmedizin“ teilnahm. Im Hörsaal der Pferdeklinik sprachen wir über den Einsatz von Tiermodellen in der veterinärmedizinischen Ausbildung gesprochen. Die FU Berlin hat durch den verstärkten Einsatz von Tiermodellen immense Anstrengungen unternommen, um das Studium der Tiermedizin am Standort Berlin weiterzuentwickeln. Davon konnte ich mir während eines modellbasierten Notfallkurses der Studierenden auch selbst ein Bild machen. Gerade als Tierärztin ist mir die gute Ausbildung angehender Veterinärmediziner*innen unter optimalen Tierschutzbedingungen wichtig. Solche Voraussetzungen stellen die Universitäten aber auch vor Herausforderungen. Der Termin bei der FU war ein erster Aufschlag, um diese Herausforderungen in enger Zusammenarbeit zwischen Politik und Wissenschaft zu meistern.

Am Nachmittag habe ich dann zum Haushaltsentwurf des Umweltministeriums gesprochen. In meiner Rede ging ich insbesondere auf das Fischsterben an der Oder ein. Denn diese menschgemachte Umweltkatastrophe, bei der Hunderte Tonnen Fisch und anderer Flusslebewesen verendeten, zeigt, wie verantwortungslos mit unserem Planeten nach wie vor umgegangen wird. Wir schaffen uns unwiderrufliche Probleme für unser Ökosystem. Für mich zeigt das Fischsterben an der Oder: Erstens. Das Thema Biodiversität bekommt immer noch nicht genügend Aufmerksamkeit. Dabei ist es untrennbar mit der Aufhaltung des Klimawandels und mit einer gesunden Umwelt verbunden. Was wir brauchen, ist eine Naturschutzbeschleunigung. Deshalb stehen fast 49 Millionen Euro für das Bundesprogramm Biologische Vielfalt im Haushaltsentwurf. Zweitens. Wir müssen in unsere Umweltbehörden investieren. Wir brauchen Personalstellen und auch bessere Warn- und Meldeketten. Drittens. Umweltprobleme sind grenzüberschreitende Probleme. Darum müssen wir in letzter Konsequenz über die nationale Ebene der Gesetzgebung hinausgehen, internationale Artenhilfsprogramme fördern und auf EU-Ebene in Krisenfällen stärker zusammenarbeiten. Hier könnt Ihr Euch die Rede anschauen.

Am Mittwoch haben wir in einer Gedenkveranstaltung dem verstorbenen früheren sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow gedacht. Es war mir ein persönliches Bedürfnis daran teilzunehmen. Denn er war ein wichtiger Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges und der deutschen und europäischen Einheit. Ohne Glasnost, das Ende des Kalten Krieges und die friedliche Revolution hätte mein Leben und das vieler Menschen in Ostdeutschland ganz anders ausgesehen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas würdigte Gorbatschow als Mann des Friedens und Wegbereiter der Wiedervereinigung. Es ist bedauerlich, dass dieser Geist des Friedens und der Völkerverständigung aus der heutigen russischen Führung verschwunden ist.

Im Anschluss an die Gedenkstunde wurde die Haushaltsberatungen mit der Generaldebatte zum Haushaltsentwurf des Kanzleramtes eröffnet. Oppositionsführer Friedrich Merz und Bundeskanzler Olaf Scholz lieferten sich einen Schlagabtausch im Plenum. Merz warf dem Bundeskanzler vor, dass dieser Regierung wirtschaftspolitisch die Fähigkeit zum politischstrategischen Denken fehle. Dieser Vorwurf ist an Hybris kaum zu übertreffen. Wo war denn der politisch-strategische Kompass der Union, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien ging, um Abhängigkeit abzubauen? 16 Jahre lang hat sie sich mit aller Kraft dagegen gewehrt. Natürlich helfen uns Schuldzuweisungen bei der Bewältigung der aktuellen Energiekrise nicht weiter, aber solche selbstgefälligen Vorwürfe kann man einfach nicht so stehen lassen. Olaf Scholz machte genau das in seiner starken Konterrede klar.

Am Nachmittag gab ich dem NDR ein kurzes Interview zur Beschränkung der Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Chemikalien (PFAS) im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH. PFAS umfassen etwa 4700 industriell hergestellte Substanzen, die in unterschiedlichen Industriebereichen und auch im Haushalt eingesetzt werden. Das Problem ist, dass diese Verbindungen sehr stabil und langlebig sind und auf direktem und indirektem Wege auch in die Umwelt gelangen. Die Chemikalienbehörden aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Norwegen bereiten deshalb ein sogenanntes Beschränkungsdossier für eine umfassende Beschränkung von PFAS vor. Derzeit wird das Thema auf EU-Ebene diskutiert und wird auch dort entschieden. Das ist meiner Meinung nach auch richtig so. Denn Themen wie Umweltschutz müssen wir gemeinsam angehen. Wichtig ist, dass eine Beschränkung auf einer wissenschaftsbasierten Entscheidung beruht und Alternativen für die Industrie bestehen. Darum müssen wir in die Forschung investieren. Zudem kann und sollte ein Ausstieg nur schrittweise (wie im Green Deal gefordert) erfolgen, sodass die Industrie sich umstellen kann.

Am Donnerstag stimmte der Bundestag über die Änderung des Infektionsschutzgesetzes ab. Auch wenn viele derzeit das Gefühl haben, die Pandemie sei vorbei, sind vor allem vulnerable Personen weiterhin durch das Corona-Virus gefährdet. Da nicht abzusehen ist, wie sich die Infektionslage über den Winter entwickeln wird, ergänzen wir das im Juli 2022 in erster Lesung beratene Covid-19-Schutzgesetz um Schutzmaßnahmen für den Herbst und Winter (§28a und b IfSG). Geplant sind bundesweit einheitliche Maßnahmen, wie beispielsweise die Maskenpflicht im Fernverkehr sowie ein zweistufiges Pandemiemanagement durch die Bundesländer. Diese Regeln werden ab dem 1. Oktober 2022 bis zum 7. April 2023 gelten. Darüber hinaus wird auch der Infektionsschutz in Ein-richtungen und Unternehmen der Pflege und Eingliederungshilfe gestärkt.

Nachdem ich am Freitag die Plenardebatte zum Haushaltsentwurf des Innenministeriums verfolgte, fuhr ich zurück in die Heimat.

Ich wünsche allen ein erholsames Wochenende

Dr. Franziska Kersten, MdB