Wochenrückblick aus Berlin – KW40

Liebe Leserinnen und Leser,

vor 32 Jahren, am 03. Oktober 1990, trat der Einigungsvertrag in Kraft und die frühere DDR trat der Bundesrepublik bei. Über vierzig Jahre war Deutschland geteilt; über vierzig Jahre, in denen Familien getrennt waren; über vierzig Jahre, in denen Menschen in Ost und West in verschiedenen politischen Systemen aufgewachsen sind, mit unterschiedlichen Problemen konfrontiert waren und unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben.

Als ich Studentin der Veterinärmedizin an der Universität in Leipzig war habe ich 1989 regelmäßig an den Montagsdemonstrationen teilgenommen. Die Missstände des politischen Systems der DDR haben mich politisiert. Ich wusste, dass ich in einem freien Land leben möchte, ich wollte in einem Land leben, in dem ein Studienplatz nicht aufgrund der politischen Einstellung verwehrt wird, in dem Menschen Reisen können und in dem jeder frei seine Meinung äußern können. So wie mir ging es vielen meiner Kommilitonen und Kommilitonen.

Und dennoch kann ich mich noch an die Verunsicherung erinnern, die bei den Demonstrationen zu spüren war. Denn so sicher wir uns unserer politischen Forderungen waren, so wenig wussten wir, wie gewaltbereit die „staatlichen Organe“ sind. Doch die Verunsicherung wich dem Drang nach einem Aufbruch. Trotz der staatlichen Überwachung demonstrierten Tausende Bürgerinnen und Bürger ab September 1989 in ganz Ostdeutschland. Dieser friedliche Protest der Menschen hat das bereits marode System und damit die politische Spaltung Europas zu Fall gebracht.

Anlässlich der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit fuhr ich am Montag nach Erfurt, wo ich am Festakt und einem anschließenden Empfang des Bundespräsidenten teilnahm. Ich bin der Meinung, dass wir stolz auf die Wiedervereinigung sein können. Das hat mir nicht zuletzt meine Reise nach Südkorea im Juni noch einmal deutlich gemacht. Dort habe ich gesehen, was eine fortdauernde Spaltung für eine Gesellschaft bedeutet und wie sehr sich die Fronten mit der Zeit verhärten.

Natürlich war die Übertragung des politischen und rechtlichen Systems der Bundesrepublik auf das Gebiet der DDR zum 3. Oktober erst der Anfang eines Prozesses der Wiedervereinigung. Komplexe politische, rechtliche und wirtschaftliche Fragen mussten gelöst werden und dafür gab es kein Musterbeispiel. Eine Wiedervereinigung, so wie Deutschland sie vollzogen hat, war ein Präzedenzfall. Und wir wissen, dass auch Fehler gemacht wurden. Fehler, die wir rückblickend wahrscheinlich nicht wiederholen würden. Klar ist: Wir müssen die Deutsche Einheit auch sozial vollenden. Mit der Grundrente und dem gerade eingeführten Mindestlohn haben wir uns als SPD für gleiche Verhältnisse zwischen Ost und West stark gemacht. Doch es ist immer noch einiges zu tun.

Viele von Ihnen und Euch kennen sicher die Bonbons, Dragees und Ostereier von Bodeta – ich auf jeden Fall noch aus meiner Kindheit! Aufgrund der Energiekrise musste Bodeta jetzt Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden.

Dabei hat die Firma in den letzten Jahren ihre Produktion gesteigert und gute Kontrakte mit großen Firmen. Als ich das erfuhr, bin ich am Dienstag zum Unternehmen gefahren, wo ich mich mit der Geschäftsleitung über die aktuelle Lage sprach. Ein Traditionsunternehmen wie Bodeta, 1892 in Oschersleben gegründet, darf nicht verschwinden! 110 Arbeitsplätze und 9 Azubi-Stellen hängen daran. Ich werde alles daran setzen, dass Bodeta so schnell wie möglich Unterstützung, z.B. in Form von Krediten, bekommt. Die Gaspreisbremse soll jetzt auch endlich kommen. Ich danke für die guten und konstruktiven Gespräche vor Ort und für die Kostprobe, die ich mit nach Hause nehmen durfte.

 

Am Mittwoch war ich im westlichen Bördekreis nah der ehemaligen innerdeutschen Grenze in Harbke unterwegs. Gemeinsam mit Bürgermeister Werner Müller, der auch Vorsitzender des Denkmalpflegevereins ist, seiner Stellvertreterin Ursula Schmiedchen und Mitgliedern des SPD-Ortsvereins Obere Aller habe ich bei strahlendem Sonnenschein das Schlossareal mit Schlossruine, Park, ehemaliger Orangerie und Kirche besichtigt.

Das Schloss wurde im 14. Jahrhundert vom Adelsgeschlecht Veltheim erbaut und erfüllte über lange Zeit repräsentative Aufgaben und galt als Sitz eines Rittergutsbesitzers. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Enteignung der letzten Besitzerin, Karin von Veltheim, ist das Schlossgelände allmählich verfallen. Heute erinnert nur noch eine Ruine an das einstige Anwesen.

Darum setzt sich die Gemeinde zusammen mit dem Denkmalpflegeverein schon seit vielen Jahren erfolgreich für die Sicherung und Umgestaltung der Schlossanlage ein. Das wurde bei unserem Spaziergang durch den Park deutlich. Während der Begehung der Schlossruine hatte Ursula Schmiedchen viele spannende Geschichten und Anekdoten zu den einzelnen Gebäuden sowie natürlich zur Familie von Veltheim auf Lager. Bürgermeister Müller erläuterte die bereits erfolgten Sicherungsmaßnahmen und weitere Vorhaben der Gemeinde zur Weiterentwicklung des Geländes. So ist in den nächsten Jahren beispielweise die Sicherung und Sanierung der ehemaligen Brauerei und die Sanierung des Schlossturmes geplant, um diesen für Touristen zugänglich zu machen. Für das erste Vorhaben hat das Land bereits Mittel bewilligt.

Für beide Maßnahmen wurden auch Bundesmittel beantragt. Ich habe zugesichert, mich für Fördermittel seitens des Bundes einzusetzen und auch für zukünftige Projekte meine Unterstützung angeboten. Der Tag wurde mit einer gemeinsamen Diskussion mit Mitgliedern des SPD-Ortsvereins in gemütlicher Runde beendet. Ich habe den Nachmittag sehr genossen und freue mich auf einen neuen Besuch. Hoffentlich kann ich dann zu bewilligten Bundesmitteln für die Brauerei oder den Schlossturm gratulieren.

Einen Besuch bei Wiesenhof in Möckern hatte ich schon lange geplant. 1990 übernahm Wiesenhof das VEB Kombinat Industrielle Mast Möckern. 2013 folgte die Umbenennung in „Anhaltinische Geflügelspezialitäten GmbH Möckern“ (AGS). Heute arbeiten circa 250 Mitarbeiter am Standort. Täglich werden hier rund 120.000 Masthähnchen geschlachtet und weiterverarbeitet. Am Donnerstag habe ich mir den Betrieb angeschaut und mit der Geschäftsleitung darüber gesprochen, wie Nachhaltigkeit vom Futter über das Tierwohl bis zu gerechten Arbeitsbedingungen gelingen kann.

Am Freitag fuhr ich mit meinem Kollegen aus dem Umweltausschuss Jakob Blankenburg und dem niedersächsischen Landtagsabgeordneten Jörn Domeier nach Morsleben, wo wir das Endlager für radioaktive Abfälle besichtigten.

Hier lagern fast 37.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle in rund 480 Metern Tiefe in gelben Fässern. Bevor Morsleben zum Endlager wurde, wurde hier Jahrzehnte Kali- und Steinsalz abgebaut. Nun soll die Grube abschließend unter hohem Sicherheitsniveau verschlossen werden. Nach einer Besichtigung unter Tage sprachen wir mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, Stefan Studt, über das Stilllegungskonzept.

Vielen Dank, lieber Jakob und lieber Jörn, für euren Besuch so kurz vor der Landtagswahl in Niedersachsen. Ich drücke der SPD Niedersachsen am Sonntag die Daumen!

 

 

Im Anschluss an die Besichtigung des Endlagers nahm ich am Praxistag der Schafhaltung des Bauernverbandes Sachsen-Anhalts teil. Auf dem Schafhaltungsbetrieb Claudia Gerstenberg in Barby (Elbe) sprachen wir mit verschiedenen Akteuren den kompletten Nachmittag unter anderem über die Bedeutung der Landschafts- und Biotoppflege, die Möglichkeiten und Grenzen des Herdenschutzes und die Perspektiven der Nutztierhaltung.

 

Ich wünsche allen ein schönes Wochenende

Dr. Franziska Kersten, MdB